Synergie und Death Draws

Wir sind immer noch nicht mit unserer Deckbau-Serie fertig und wie wir inzwischen schon alle gelernt haben, spielen eine Menge Dinge mit, wenn es um die Zusammenstellung des eigenen Decks geht. Und trotzdem sind wir noch gar nicht darauf eingegangen, wie man das Deck selbst baut, wir haben uns nur mit den Prinzipien beschäftigt, auf die das Ganze hinaus laufen sollte (also, dass man am Ende möglichst großen Kartenvorteil erzielt und ein überlegenes Ressourcenmanagement besitzt). Das wollen wir uns auch weiterhin noch etwas aufheben (ganz im Cliffhanger-Stil, den viele Comicleser kennen) und daher kommen wir heute auf das Thema Synergie zu sprechen.


Kartenvorteil war zuvor das A und O bei der Gestaltung des eigenen Decks. Zumindest denken das nach wie vor viele Spieler. Wir sind schon einen Schritt weiter und wissen, dass ein überlegenes Ressourcenmanagement im Vordergrund stehen sollte und folglich auch mal etwas Kartennachteil in Kauf genommen werden kann, wenn wir dadurch andere Vorteile erzielen und beispielsweise viele Life Points sparen. Ein gewiefter Leser hat möglicherweise schon mit dem Gedanken gespielt alle Karten in ein Deck zu stopfen, die Kartenvorteil garantieren, bzw. das eigene Ressourcenmanagement verbessern. Manch Zyniker würde nun behaupten, dieser Typ muss der Erfinder des Control-Decks gewesen sein, doch tatsächlich verhält es sich nicht so.

Nein, man hat nicht einfach nur planlos die tollsten Karten zusammen geschmissen, man hat sich doch ein paar weitere Gedanken gemacht. Um zur Abschreckung mal wieder mit einem Extrembeispiel anzufangen: Wie letzte Woche schon erwähnt, bietet uns Letztes Angebot die hervorragende Möglichkeit an, Life Points für eine weitere Normalbeschwörung zu tauschen. Der Effekt besitzt grundsätzlich viel Potential, um unser Spiel zu verbessern, doch in einem reinen Warrior-Deck, in dem wir auf einige Monster verzichten (da wir diese beispielsweise mit Verstärkung für die Armee aus unserem Deck suchen können) nützt uns der Effekt wenig, da wir oft gar keine Monster mehr auf der Hand halten würden, die wir noch beschwören können.


Ähnlich ist es mit dem Control-Deck. Unser deutscher Meister Michel Grüner hat auf Voreiliges Begräbnis im Main Deck verzichtet, da es zu oft zum Death Draw wurde. Entweder die spielstarken Monster waren schon für die Beschwörung von Chaos Sorcerer aus dem Spiel entfernt, man hatte noch gar keine Monster im Friedhof, als man Voreiliges Begräbnis aufgezogen hatte oder es fehlten die nötigen Life Points, da man schon Rückkehr aus einer anderen Dimension gespielt hatte und auch einige gegnerische Angriffe einstecken musste. Das Begräbnis hatte sich also nicht mit den übrigen im Deck enthaltenen Karten, bzw. der zugrunde liegenden Deckstrategie vertragen und folglich musste es seinen Platz räumen.

Genau das ist mit Synergie gemeint: Das Zusammenspiel der im Deck enthaltenen Karten.

Ähnlich, wie mit dem Begräbnis, hätte es sich mit Topf der Trägheit verhalten. Er wäre sogar noch häufiger nutzlos auf der Hand herum gelegen, da man nur selten 5 Monster im eigenen Friedhof hat und noch seltener kommt es vor, dass man diese 5 Monster auch wieder gerne im eigenen Deck haben möchte.


Ein Deck, das im Bereich Synergie besonders begeistern konnte war das Wasser-Deck von Tim "Wassergeist" Rettig. Tim's Deck setzte auf viele Kartenkombinationen, die noch dazu dem Großteil seiner Gegner gänzlich unbekannt waren, wodurch er sich viele Vorteile verschaffen konnte (seine Gegner wussten gar nicht, wie ihnen geschah, da sie nie zuvor gegen ein solches Deck gespielt hatten). Umiiruka, einst als unspielbare Spielfeldzauberkarte verschrien gab seinen Monstern den nötigen Push, damit sie es auch mit gegnerischen Tributmonstern aufnehmen konnten. Abyss Soldier räumte störende Karten vom Feld und mit der damals noch erlaubten Unheil verkündenden Schlange hatte man auch immer ein Monster zur Hand, das man bereitwillig abwerfen konnte.

Mutter Grizzly verdünnte nicht nur das eigene Deck, sie erhielt auch den Feldvorteil aufrecht (da man auch nach der Zerstörung einer Mutter Grizzly ein neues Monster suchen konnte und so keinen Kartennachteil einging -> genau das macht sämtliche Sucherkarten, wie auch Mystische Tomate so spielstark) und der mit ihrer Hilfe schnell mit Wasser-Monstern gefüllte Friedhof bot gleich haufenweise Optionen für Lekunga und Wassergeist. Die so aus dem Spiel entfernten Monster konnten wiederum durch Rückkehr aus einer anderen Dimension zurück aufs Feld geholt werden, um zum finalen Schlag auszuholen.


Um es kurz zu machen: Dieses Deck hatte alles, was ein echtes Siegerdeck ausmacht. Sogar noch den Überraschungseffekt, den viele andere Decks nicht haben, da die meisten Gegner bereits irgendwann mal gegen sie gespielt hatten. Andere Beispiele wären das Beastdown Deck von Björn-Christian "Angie_Keeper" Schulze, das neue Lebensausrichter OTK von Vincent Tundo oder die Maschinen-Builds von Manuel de Oliveira, mit denen er sich auf den Pharao-Touren viel Respekt verschaffen konnte, bzw. Adrian Madaj, der damit auf der Deutschen Meisterschaft 2005 für Aufsehen sorgte.


potentielle Death Draws

Zum Teil riskieren es solche Decks auch viele situationsabhängige Karten zu spielen. Eine situationsabhängige Karte kann schnell zum Death Draw werden, in anderen Situationen dafür aber umso mehr Vorteil für euch schaffen (natürlich gibt es auch noch schlechtere situationsabhängige Karten, doch die würden wir selbstverständlich niemals spielen). Hier ist Kreaturentausch ein geeignetes Beispiel. Wenn ihr eine Mystische Tomate, bzw. ein anderes Sucher-Monster mit einem Friedhofseffekt zur Hand habt, garantiert euch Kreaturentausch sehr häufig einen großen Vorteil. Ihr sichert euch ein starkes Monster eures Gegners, zerstört dann euer eigenes Monster im Kampf und erhaltet noch eine weitere Tomate, bzw. einen Sangan, einen Glänzenden Elfen oder was auch immer. Unter dem Strich habt ihr eurem Gegner 1 Monster genommen, dafür allerdings auch Kreaturentausch verloren, doch durch den Suchereffekt seid ihr sogar in Kartenvorteil gegangen, außerdem habt ihr euren Gegner einiger Life Points beraubt.

Genauso kann es jedoch passieren, dass ihr in einer absoluten Topdeck-Situation seid, das komplette Spielfeld frei ist, da euer Gegner im letzten Zug einen Double-Kill mit einem eurer Monster gemacht hat und ihr nun ohne Feld- und Handkarten Kreaturentausch aufzieht. In diesem Beispiel ist der Kreaturentausch eine der letzten Karten, die ihr ziehen wolltet und genau das versteht man unter einer situationsabhängigen Karte oder mit anderen Worten: Einem potentiellen Death Draw.


Ob man nun also beispielsweise Kreaturentausch oder andere situationsabhängige Karten spielt hängt zum einen vom eigenen Geschmack ab, zum anderen aber auch sehr vom eigenen Deck. 1 situationsabhängige Karte wird euch in den seltensten Fällen Probleme bereiten, doch ist euer halbes Deck mit solchen Karten gespickt, stehen dessen Erfolgsaussichten unter einem schlechten Stern. Potentielle Death Draws müssen nicht zwangsweise Zauber- oder Fallenkarten sein. Tributmonster sind ebenfalls situationsabhängige Karten, da ihr nicht unbedingt immer ein Monster auf dem Feld haben werdet, das ihr bereitwillig für die Beschwörung eines Tributmonsters opfern könnt. Genau dies ist der Grund, warum praktisch gar keine Tributmonster mehr gespielt werden, die mehr als 1 Tribut benötigen, man zieht sie einfach viel zu oft, wenn man sie gar nicht spielen kann und folglich bremsen sie nur das eigene Spiel, anstatt ihm noch mehr Druck zu machen.


Es gibt sogar komplette Deckarten, die derart mit dem Problem potentieller Death Draws zu kämpfen haben, dass sie nicht konstant laufen und in Folge dessen nicht gespielt werden. Das Paradebeispiel ist hier das Zombie-Deck. In der Theorie ist es super-stark. Man hat mit Pyramidenschildkröte eine der stärksten Sucher-Karten im gesamten Spiel, da man mit ihr auch mächtige Tributmonster als Spezialbeschwörung beschwören kann. Vampire Lord kehrt durch seinen eigenen Effekt immer wieder aufs Feld zurück und lässt sich nur im Kampf zerstören und Ryu Kokki besitzt mit 2400 ATK ordentliches Zerstörungs-Potential. Buch des Lebens bringt die Zombies wieder zurück, wenn sie doch mal auf dem Friedhof gelandet sind und wer denn will, der spielt noch Ruf der Mumie, um die Zombies auch direkt von der Hand als Spezialbeschwörung beschwören zu können.


Der Fehler in dieser gesamten Rechnung ist, dass nahezu all diese Karten situationsabhängig sind. Ein aufgezogenes Tributmonster ist immer schlechter als eines, das man aus dem Deck als Spezialbeschwörung beschwören kann. Ein Buch des Lebens nützt nichts, wenn man noch keinen Zombie im Friedhof hat, bzw. der Gegner gar kein Monster im Grave hat. Und auch Ruf der Mumie liegt nur auf der Hand herum, wenn man sie in einer gefährlichen Topdeck-Situation zieht. Diese Decks nennt man gemäß der soul'schen Fachsprache "Anna Kournikova Decks". Sie sehen in der Theorie sehr gut aus, gewinnen aber nichts.


Fazit:

Um ein Deck zu bauen, das auch Chancen auf den Turniersieg hat genügt es nicht einfach nur alle Karten in einen Haufen (das in der Fachsprache so genannte Haufen.dec) zu werfen, die Kartenvorteil garantieren. Vielmehr ist es sehr wichtig, dass die Karten auch miteinander harmonieren. Die Anzahl der situationsabhängigen Karten sollte so weit eingeschränkt werden, wie möglich, da jede situationsabhängige Karte in einer Topdeck-Situation zum Verhängnis werden kann.

Stimmt die Synergie der enthaltenen Karten und setzt man auf eine ungewöhnliche Strategie, kann man sich daher extrem viele Vorteile erarbeiten und einen Gegner kalt erwischen!


soul