Alles rund ums Deck (2/3): Die vier Kartentypen


Nachdem ich mich letzte Woche mit den verschiedenen Ebenen, an den man ein Deck bewerten kann, beschäftigt habe, wird es nun Zeit einen Schritt tiefer zu gehen. Nun scheint ein Artikel über die verschiedenen Kartentypen auf den ersten Blick denkbar simpel, schließlich stehen diese in jedem Regelbuch: Monster, Zauber, Fallen usw. Allerdings sind diese „klassischen“ Typen recht ungeeignet, um die tatsächlichen Möglichkeiten einer Karte zu beschreiben. Maxx C, Mermail Abysspike und Urteilsdrache sind zwar alle Monster, unterscheiden sich in ihren Funktionen jedoch komplett. Um die Rolle zu beschreiben, die eine Karte in dem eigenen Deck einnimmt und zu analysieren, wie das eigene Deck zusammengesetzt ist, sind deshalb andere Kategorien notwendig.


Inspiration für den heutigen Artikel fand ich diesmal übrigens wieder in einem Artikel von Patrick Hoban, in dem er die Stärke von Schnappstahl abwägte und dabei ebenfalls auf verschiedene Kartentypen einging.


Typ 1: Engine


...womit wir schließlich auch wieder bei der berühmten Engine wären. In meinem letzten Artikel beschrieb ich die Engine als den Teil eines Decks, der dafür verantwortlich ist ein Feld aufzubauen und für konstanten Nachschub an Ressourcen zu sorgen – kurz gesagt sein „Endgame“ zu erreichen. Was heißt das genau? Das normale YuGiOh Spiel endet in der Regel nicht, indem es ein Spieler schafft schnell 8.000 Schadenspunkte durchzudrücken. Man gewinnt zwar das Spiel, indem man die Life Points des Gegner auf 0 bringt, doch ist dies selten das primäre Ziel eines Decks. Die meisten Decks, außer man spielt gerade Chain Burner, konzentrieren sich darauf erst die Feldkontrolle zu erreichen, um dann anschließend auf die Life Points des Gegners abzuzielen.


Die Engine eines Decks ist genau dafür verantwortlich: Den eigenen Gamestate voranzubringen, um sein Endgame zu erreichen. Alle Karten in einem Deck, die genau dies tun, fallen deshalb unter diesen Typ. Es sind die „Burning Abyss“ Monster im Burning Abyss, die Mermails im Mermail Deck oder die Geargia Monster im Geargia Deck. Sie haben alle eines gemeinsam: Sie sind direkt spielbar und helfen das eigene Spiel voranzubringen.


Typ 2: Schutz


Genauso wichtig wie die Fähigkeit sein eigenes Endgame zu erreichen, ist es den Gegner daran zu hindern das Gleiche zu tun. Es ist einer der Gründe dafür, warum Decks wie Hieratic in der Regel auf OTKs aufgebaut sind (von der fehlenden Ökonomie mal abgesehen): Sie schaffen es zwar ein eigenes Feld aufzubauen, können den Gegner aber nicht effektiv daran hindern das Gleiche zu tun und ihr Feld wieder abzuräumen. Manche Decks konzentrieren sich sogar nur auf diesen Punkt. Nehmen wir beispielsweise ein Deck das alte Dino Rabbit: Das ganze Deck war im Grunde nur darauf ausgelegt selbst ein mittelmäßig starkes Feld aufzubauen, während man den Gegner daran hinderte überhaupt ins Spiel zu kommen.


Alle Schutzkarten in einem Deck haben deshalb genau die gegenteilige Aufgabe einer Engine: Sie sind in der Regel im Zug des Gegners aktivierbar und hindern ihn daran sein eigenes Spiel aufzubauen. Es sind die Karma Cutss, Phoenix Wing Wind Blasts und Fire Lake of the Burning Abyss im gleichnamigen Deck oder das Skill Drain im Qliphort.


Typ 3: Removal


Eine ganz andere Art von Karten sind Removal. Während sich Engine und Schutzkarten beide darum drehten entweder das eigene Spiel aufzubauen oder dem Gegner daran zu hindern voranzukommen, schlagen Removals in ein völlig andere Sparte. Schutzkarten stellen sich dem Gegner in den Weg, bevor er zum Zug kommen kann – sie verhindern, dass er ein Feld aufbauen kann, indem sie Schlüsselkarten frühzeitig aus dem Spiel nehmen (beispielsweise, indem man Effect Veiler auf eine Tour Guide from the Underworld spielt, um den Gegner gar nicht erst auf ein XYZ-Monster kommen zu lassen).


Removal hingegen warten ab, bis der Gegner sich sein Feld aufgebaut hat und versuchen es anschließend im eigenen Zug wieder abzuräumen. Beispiele für solche Karten sind Dark Hole, Mystical Space Typhoon oder Smashing Ground. So können Schutzkarten zwar auch gleichzeitig als Removal agieren (beispielsweise Raegeki Break), „pure“ Removals sind jedoch generell reaktiv statt präventiv.


Typ 4: Gamebreaker


Unter den Punkt „Gamebreaker“ fallen in diesem Fall alle Karten, die es praktisch im Alleingang schaffen Spiele zu drehen, Karten die einen aus Situationen, in denen das Spiel verloren scheint, herausholen, sodass man es doch noch für sich entscheiden kann. Das können beispielsweise Monster wie Dark Armed Dragon, Black Luster Soldier – Envoy of the Beginning oder auch Zauber- und Fallenkarten wie Snatch Steal, Return from a different Dimension oder ursprünglich auch mal Dark Hole, sein.


Schlussfolgerungen


Nun stellt sich erneut die Frage „wofür das Ganze?“. Eine Antwort darauf, ist eine ähnliche, die ich auf diese Frage auch schon im letzten Artikel gab: Eine genauere Betrachtung der verschiedenen Karten in einem Deck kann dabei helfen das Deck besser zu verstehen und differenzierter darüber urteilen zu können. Beispielsweise funktionieren Decks unerfahrener Spieler oftmals deswegen nicht, das sie zu viele Gamebreaker oder ein überproportionales Maß an Removals in ihr Deck verbauen.


Im Idealfall möchte man erreichen, dass das eigene Deck ausschließlich aus „Engine“ und „Schutz“ besteht, während „Removal“ und „Gamebreaker“ überflüssig sind, um Spiele zu gewinnen. Noch einmal: Ein Deck gewinnt Spiele, indem es das eigene „Endgame“ erreicht, während es den Gegner daran hindert das Gleiche zu tun. Ein Deck, was sich lediglich aus Engine und Schutz zusammensetzt – sprich aus Karten, die entweder den eigenen Gamestate voranbringen oder den gegnerischen zurückwerfen – ist deshalb ideal.


Je weniger „pure“ Removal und Gamebreaker ein Deck braucht, desto stärker ist es. Die Abhängigkeit von Karten, die lediglich als Removal oder Gamebreaker agieren sind ein Zeichen für die Schwäche der eigenen Engine. Ein Deck, was ausreichend Schutzkarten spielt und genug Removals in seine Engine integrieren kann, wird nie auf Karten wie Dark Hole zurückgreifen müssen. Ein Deck mit einer Engine, die von alleine Spiele gewinnen kann, braucht keine Gamebreaker. Deshalb spreche ich bewusst von „puren“ Removals und Gamebreakern, da ein Deck solche Funktionen idealerweise in seine Engine einbauen kann. Ein Beispiel dafür ist wieder Burning Abyss: Virgil, Rock Star of the Burning Abyss kann sowohl als Removal, als auch als Gamebreaker agieren, ist jedoch keine Karte, die in Fällen, in denen man sie nicht braucht tot in der Hand herumsitzt. Zusätzlich ist sie mehr als ein simples Removal: Beschwört man den Rock Star und nutzt ihn als Removal, hat die Engine des Decks in der Regel weiteren Kartenvorteil erzielt und durch seine Beschwörung gleichzeitig einen Beatstick auf's Feld gebracht.


Sind Removals und Gamebreaker nicht in die Engine eines Decks integriert, brauchen sie Setup um zu funktionieren (entweder eigenes oder gegnerisches). Removals wie Dark Hole funktionieren nur, wenn der Gegner ein entsprechendes Feld besitzt, was man abräumen kann. Gamebreaker wie Dark Armed Dragon sind lediglich effektiv, wenn man selber das Setup besitzt sie zu beschwören und sie einen dazu bringen das Spiel zu gewinnen. Auf der anderen Seite produzieren sie in allen anderen Fällen sperrige Hände und helfen einem nicht dabei sein Spielziel zu erreichen. Möglich, dass Dark Hole das gegnerische Feld abräumt, jedoch nützt einem dies nichts, wenn man danach selber nicht ins Spiel findet. Das Gleiche gilt für Gamebreaker: Können sie von dem Gegner irgendwie ausgekontert werden, ohne, dass er daran zerbricht, bringen sie einen ebenfalls nicht voran.


Die Theorie in der Praxis


In der Praxis erklärt dieses Prinzip zum Beispiel anschaulich die Stärke der Burning Abyss Decks. Schaut man sich beispielsweise eine Deckliste aus den Top16 der letzten ARGCS in Orlando an, sieht man, dass diese fast ausschließlich aus Engine- und Schutzkarten besteht (fett markiert):


Monster:


3x Tour Guide from the Underworld

3x Cir, Malebranche of the Burning Abyss

3x Graff, Malebranche of the Burning Abyss

3x Scarm, Malebranche of the Burning Abyss

3x Rubic, Malebranche of the Burning Abyss

3x Calcab, Malebranche of the Burning Abyss

3x Alich, Malebranche of the Burning Abyss

1x Black Luster Soldier - Envoy of the Beginning


Zauber:


3x Upstart Goblin

3x Mystical Space Typhoon

1x Foolish Burial

1x Soul Charge

1x Night Beam

1x Allure of Darkness

2x Enemy Controller


Fallen:


3x Vanity's Emptiness

3x Fire Lake of the Burning Abyss


Total: 40


Engine- oder Schutzkarten: 34

“Pure“ Removal oder Gamebreaker: 6


Besonders stark beim Burning Abyss ist dabei, dass viele Karten als Removal, Schutzkarte UND Teil der Engine agieren. Fire Lake of the Burning Abyss und Enemy Controller können gegnerische Monster vom Feld entfernen und im gegnerischen Zug als Schutzkarte agieren, während sie gleichzeitig die Effekte der Burning Abyss triggern. Zwar werden sie in dieser Liste nicht gespielt, doch wären auch Phoenix Wing Wind Blast und Karma Cut weitere Beispiele solcher Karten, die im Burning Abyss glänzen können.


Das es für ein Deck sinnvoll ist komplett auf Removal und Gamebreaker zu verzichten, ist (mindestens momentan) zugegeben noch ein theoretischer Fall. Ein Deck müsste schon außergewöhnlich sein, um momentan beispielsweise ohne Mystical Space Typhoon spielen zu wollen (obwohl ich auch schon ein paar Listen gesehen habe, die selbst das tun). Es ist mehr wie ein Punkt, an den sich Decks annähern – Prophecy und Dragon Ruler waren in ihrer vollen Stärke ebenfalls gute Beispiele für Decks, die diesem Punkt schon sehr nahe kamen. Es war ein Grund dafür, warum beide Decks so unheimlich konstant waren. Sie brauchten kaum Removal und praktisch keine Gamebreaker, die nicht in ihre Engine integriert waren (Return from a different Dimension wurde in den meisten Dragon Ruler Builds beispielsweise gar nicht gespielt, während es nach der Liste, nachdem die Engine des Decks geschwächt wurde, eine absolute Staple war).


Trotzdem sollte man sich immer die Frage stellen, ob es sich wirklich lohnt bestimmte Removal und Gamebreaker zu spielen. Nachdem Schnappstahl wieder erlaubt wurde, war der Hype zunächst groß. Doch lohnt sich bei genauer Betrachtung auch Schnappstahl nur wirklich, wenn einen die Zauberkarte dazu bringt dass Spiel herumzureißen. In allen anderen Fällen wäre eine Karte, welche die Engine unterstützt und nicht tot in der Hand herumsitzt, eine bessere Wahl gewesen (falls ihr dafür eine ausführlichere Erklärung haben wollt, schaut in Hobans Artikel, den ich am Anfang des Artikels verlinkt habe).


Schlusswort


In der dritten und letzten Ausgabe Artikelreihe nächsten Montag am 19.01., werde ich zum Abschluss einem meiner (sehr) alten Artikel ein Comeback verschaffen, um seine Gedanken neu aufzugreifen und sie mit den neuen Theorien der ersten beiden Artikel zu tunen (vielleicht kommt ja jemand auf den Artikel (; ).


Hinterlasst mir zum heutigen Artikel gerne wieder eure Meinungen im Diskussionsthread und seid auch nächste Woche wieder dabei!


Bis zum nächsten Mal,


~Scarx



Antworten 8

  • Guter Artikel! Nur deine These, dass Schnappstahl verzichtbar ist, kann ich nicht nachvollziehen. Meiner Meinung nach die wohl brokenste Karte aktuell - ganz unabhängig ob im Qli, BA, Shaddoll oder Satellar. Viele mögen mir da aber widersprechen.

  • Guter Artikel! Nur deine These, dass Schnappstahl verzichtbar ist, kann ich nicht nachvollziehen. Meiner Meinung nach die wohl brokenste Karte aktuell - ganz unabhängig ob im Qli, BA, Shaddoll oder Satellar. Viele mögen mir da aber widersprechen.


    Danke für dein Feedback!


    Die These kommt übrigens ursprünglich weniger von mir, als aus Patrick Hobans Artikel, den ich am Anfang verlinkt habe. Wie bereits gesagt dreht sich Hobans gesamter Artikel im Grunde nur darum zu erklären, warum er Schnappstahl nicht gut findet. Falls ihr zu diesem Punkt also noch mehr lesen wollt, kann ich euch seinen Artikel sehr ans Herz legen: -Link-

  • Hallo
    Wer schon mal das Problem hatte Bleeze von Schnappstahl abgenommen zu bekommen, wird diese Karte nicht mehr unterschätzen. Im gesamten find ich deinen Artikel wieder super, nur glaub ich nicht das ich den so in den Yugioh Treff mitnehme. Sonst sitz ich drei Stunden rum und erkläre :gnade: . Ich mein ich habs verstanden, auch wenn ich manchmal mir den Satz nochmal durch den Kopf gehen lassen musste, aber das den Jungs zu erklären wird haarig. Bin ja froh wenn die endlich aus den Yugiohbabyschuhen raus sind.
    Grüße silberzahn

  • Guter Artikel.


    ImO würde ich die "Typen" aber eher als Engine und Non-Engine betrachten.


    D.h., Removal und Schutz zusammennehmen. Ich schätze der Sinn von Schutz ist ja relativ klar: Nicht durch die gegnerischen Aktionen verlieren. Removal macht jedoch das Gleiche. Monsterremoval räumt Monster auf, d.h. man verhindert Schaden, weiteren Aufbau vom Gegner oder einfach Effekte, die einen nicht spielen lassen (Winda, Vanity's Fiend etc.). S/T removal: Karten wie Qli Scout, Call oder früher Abysssphere, Tenki etc aufzuhalten ist sehr direkt vergleichbar mit einem Solemn Warning auf ein kritisches Monster, es ist also nichts anderes als Schutz. Backrow zu entsorgen, insbesondere Vanity's Emptiness und dergleichen ist ebenso Schutz, denn sonst bringt man womöglich seinen kritischen Move nicht durch und verliert folglich. Mehr oder weniger ist das Schutz vs. Schutz und letztendlich ist der Zweck von Schutz und Removal daher mehr oder weniger identisch.


    Gamebreaker, ja, kann man eigentlich stehen lassen. Ist jedoch sehr irrelevant derzeit, denn was würde man überhaupt dazu zählen ausser Schnappstahl und manchmal BLS? Daher sind es ImO zwei fundamentale Typen: Engine + Non-engine.

  • Nabend Scarx,


    also dieser Artikel hat die Sichtweise auf mein erstes und liebstes Deck total geändert. Ich hab von beinahe jedem Kartentyp etwas drin, obwohl die Engine immer mal wieder stottert... Aber ich liebe die Blicke, wenn ich einfach mal einen Gamebreaker topdecke und zumindest versuche, das Spiel zu drehen :D Zudem kam der Artikel genau rechtzeitig raus, weil ich am Samstag endlich wieder bei den Locals um die Ecke mitspielen kann. Alles in allem ein ausgesprochen gelungener Artikel und bin schon gespannt auf den dritten und letzten Teil ;)


    Viel Spaß beim Schreiben ;)
    MasterOfStardust

  • Super Artikel, PUNKT! :D :klar?:


    Freue mich auf den letzten Teil

  • Wollte mal fragen ob es ygo Spieler in der nahe von Gelnhausen gibt oder jemand Turniere in der nahe kennt?

  • Vollkommen falscher Ort für die Frage. Das findest du eher dort heraus.

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