Der dritte Mitspieler Teil 1: Der abwesende Zuschauer

Der dritte Mitspieler: Teil 1: Der abwesende Zuschauer


Die Europameisterschaft ist vorbei und eigentlich wurde schon lange genug über dieses Event diskutiert. Jeder weiß nun, dass Lightsworns wieder zurück sind, dass das Mermail-Deck anscheinend immer die wichtigsten Turniere gewinnt und dass Deutschland Europameister geworden ist. Doch meiner Meinung nach hat die Europameisterschaft etwas ganz anderes gezeigt: Die Coverage der Zukunft. Ich selber war nicht in Amsterdam und nicht einmal zu Hause, habe mir aber trotzdem einige Teile des Livestreams angeschaut, weil ich ihn wirklich gelungen fand. Doch wie kommt es dazu, dass diese Coverage so positiv aufgenommen wurde? Was ist das Besondere an ihr? Und noch viel wichtiger: Brauchen wir so etwas wie eine Coverage überhaupt?


Akzeptanz des Zuschauers


Wenn ich jemanden frage, warum eine Coverage überhaupt notwendig ist, würde ich sicherlich meistens die Antwort: „Um die Spiele zu verfolgen“ hören. Dies bedeutet, dass wir Yu-Gi-Oh! auf eine ähnliche Stufe wie ein Sportevent stellen würden. Fußballspiele, Olympische Spiele oder Dartmeisterschaften werden im Fernsehen übertragen und diese Übertragungen gehören schon zu dem Spielerlebnis dazu. Die Anstoßzeiten von Fußballspielen hängen zum Beispiel extrem von den Zuschauern ab. Die Veranstalter möchten natürlich, dass eine große Menge von Menschen die Möglichkeit hat, dieses Spiel zu verfolgen. Aus diesem Grund finden die Spiele der Bundesliga auch meistens am Wochenende und nicht Mittwochs um 13:00 Uhr statt. Beim Fußball sind die Zuschauer sogar mit Abstand die wichtigsten Teilnehmer der Szene.

Das Bereitstellen einer Coverage zeigt nun also, dass auch bei Yu-Gi-Oh! die Zuschauer einen großen Teil der Community darstellen. Dies wird durch die Coverages gewürdigt. Dabei beschränken sich Coverages oftmals nicht nur auf Major Events, sogar kleinere Turniere stellen oftmals ein kleines Team zusammen, um live von dem Turnier berichten zu können. Dies zeigt sehr gut, dass auch bei Yu-Gi-Oh! der abwesende Zuschauer ein nicht unbedeutender Teil der Community ist. Das Stellen eines Coverage-Team bedeutet immer, dass zusätzliche Kosten entstehen, da es selten Leute zu finden gibt, die die Arbeit komplett umsonst machen – was ich auch gut finde.

Doch was haben die Zuschauer von diesen Coverages?


Zuschauen als Entertainment


Auch hier kann man wieder einmal den Vergleich zu anderen Sportveranstaltungen stellen. Ich jedenfalls schaue mir Sportveranstaltungen an, weil ich Spaß daran habe. Ich feuere gerne meine Lieblinge an, erlebe spannende Spiele und möchte den Weg von Außenseitern erleben. Ähnlich verhält es sich natürlich bei Yu-Gi-Oh! Fast jeder Zuschauer wird einige Freunde auf den großen Turnieren haben, die er verfolgt und kann durch die Coverages genau erleben, wie sie abschneiden. Häufig kann man die Ergebnisse der Spieler nur in den Standings sehen und dadurch entwickelt sich auch ein gewisses Stück Spannung, wenn die neue Datei hochgeladen wird. X braucht nur noch einen Sieg für den Tops. Hat er es geschafft? habe ich mich schon öfter gefragt. Natürlich kann man so etwas auch nach dem Turnier erfragen, aber das Zuschauen hat den Vorteil, dass man live mit anderen Zuschauern darüber – in Internetforen oder über Social Media – diskutieren kann.


Diese Beobachtungen kann man gewiss nicht nur so feststellen. Neben Freunden und Bekannten feuern die Zuschauer bei Yu-Gi-Oh! meistens ihre Lieblingsdecks an, da sie sich mit denen identifizieren können. Das Deck nimmt also die Rolle einer Identifikationsfigur ein und ersetzt somit den Spieler oder die Mannschaft in anderen Sportarten. Auch hierüber kann man sehr gut mit anderen Zuschauern diskutieren. Jeder, der die WM verfolgt hat, wird wissen, wie spannend es sein kann, über Aufstellungen und Taktiken fachzusimpeln. Ähnlich passiert dies als Zuschauer vor, bei und nach Turnieren. Da Spieler die Coverage live verfolgen können, können sie nun sehr schnell und einfach ihre Vorhersagen überprüfen und sich darüber unterhalten.


Weiterhin bringt es natürlich sehr viel Spaß, spannende Spiele zu sehen. Da die Zuschauer das Spiel zum größten Teil alle selber spielen werden, können sie die gesehenen Situationen verstehen und deswegen mit den Spielern zusammen leiden. Auch ohne besondere Sympathien oder Identifikationsfiguren können Spiele interessant werden, wenn sie besonders knapp sind. Man kann sich als Zuschauer nämlich in die spielenden Spieler hineinversetzen und somit selber erleben, wie der Gegner schon wieder Urteilsdrache von oben gezogen hat.

Doch das ist sicherlich nicht der einzige Grund, warum man Coverages verfolgt, oder?


Zuschauen als Informationsbeschaffung


Da die meisten Zuschauer selber Spieler sind, können sie aus den Coverages viele Informationen ziehen. Wer die Artikel unserer Seite verfolgt, wird merken, dass relativ häufig Analysen zu bestimmten Turnieren kommen. Dies passiert, da große Turniere die einfachste Möglichkeit bieten, Informationen über das Spiel zu bekommen. Spieler versuchen meistens, starke Decks zu spielen, damit sie erfolgreich spielen können. Da der Deckbau – und somit der Erfolg – von dem derzeitigen Metagame abhängt, kann man das Metagame aufgrund dieser Turniere analysieren. Wenn Spieler eine Coverage lesen, sehen sie, welche Decks die Gegner spielen spielen können. Dadurch kann man sein Main Deck und sein Side Deck auf die gegnerischen Decks einstellen.


Weiterhin erlauben Metagameanalysen von Turnieren auch überhaupt erst die Einschätzung eines Metagames. Viele Spieler sehen oftmals nur die ihre eigenen Locals und haben somit oft stark eingeschränkte Blicke auf die derzeit gespielten Decks. Eine Coverage eines großen Turnieres hilft den Spielern zu erfahren, welche Decks überall in Deutschland, Europa oder auf der Welt gespielt werden. Diese Decks können die Spieler daraufhin natürlich auch selber ausprobieren, um eventuelle neue Kombinationen zu entdecken, an die sie bisher gar nicht gedacht haben


Außerdem hilft eine Coverage vielen Spielern auch, ihre eigenen Spielfähigkeiten zu verbessern. In Featured Matches tauchen immer mal wieder Spielfehler auf, über die dann hinterher heiß diskutiert wird. Diese Diskussionen können dabei helfen, wirkliche Fehler erst überhaupt einmal zu identifizieren. In einigen Situationen ist es nämlich auf keinen Fall klar, ob ein Zug ein Fehler ist. Ohne eine Coverage und andere Zuschauer, die diese Fehler entdecken, hätte man so eventuell niemals einen Fehler im eigenen Spiel gesehen. Einige dieser Infos könnte man sicherlich auch ohne Coverages bekommen, aber gute Coverages fassen alle diese Informationen kompakt zusammen.

Doch Coverages kosten Zeit und Geld – kann man diese Informationen nicht auch billiger und einfacher kriegen?


Turnierberichte und Yugitubing


Informationen kann man beispielsweise auch aus Turnierberichten herausziehen. Ein Turnierbericht erfüllt natürlich ganz andere Aufgaben als eine Coverage. Der Bericht möchte nicht unbedingt informieren – auch wenn gute Berichte sicherlich immer ein paar Informationen haben – sondern will zum Großteil nur unterhalten. Der Verfasser eines Turnierberichtes weiß also, dass es Zuschauer gibt, die Spaß am Lesen von Erfahrungen haben. Ein Spieler, der diesen Bericht liest, kann das Turniergeschehen im Kopf mitverfolgen und erlebt somit – falls der Verfasser sympathisch ist – das Turnier hautnah mit. Turnierberichte gab es schon immer und wird es immer geben, doch aufgrund der wenigen Informationen, die in so einem Bericht stecken, werden sie niemals eine Coverage ersetzen können. Doch da gibt es etwas anderes:


Yugitubing gibt es schon seit etlichen Jahren. Neben Pack-Openings und Diskussionen ist das das Spiel sicherlich der wichtigste Punkt in den Videos. Personen nehmen ihre eigenen Spiele auf, um sie anderen Spielern zu zeigen. Diese Spiele wirken ähnlich wie Featured Matches in einer Coverage, nur dass man sich aus einer Vielzahl von Personen die Interessantesten aussuchen darf. Außerdem können uns diese Yugituber auch relativ einfach mit Deck-Profilen von Turnieren beglücken. Doch was ist der Unterschied zu einer Coverage?

Auf der einen Seite sei einfach die große Zahl der Informationen genannt, die man auf den Videokanälen der Privatpersonen finden kann. Es gibt Hunderte von Yugitubern, die alle bestimmte Zielgruppen ansprechen und uns unterschiedliche Informationen geben. Eine Coverage beschreibt zwar ein einzelnes Turnier genauer, ein Yugituber kann aber die Gesamtheit der Turniere einfacher beschreiben, da er lange nicht soviel Zeit dafür braucht. Er muss nur ein paar Deckprofile zeigen, ein paar Minuten darüber reden und schon hat er uns Informationen gegeben, die wir kaum wo anders hätten bekommen können.

Doch bedeutet das, dass Coverages der Vergangenheit angehören sollten?


Coverages der Zukunft


Die klare Antwort lautet: NEIN. Die Europameisterschaft hat gezeigt, wie eine Coverage in der Zukunft aussehen könnte, die sich von allen anderen Contenterstellern abhebt. Neben einem gewohnt qualitativ gutem, schriftlichen Content, bot die Europameisterschaft kommentierte Featured Matches im Livestream. Ein Video erlaubt es den Zuschauern, das Spiel viel direkter zu erleben als eine Mitschrift. Besonders daran war, dass es kompetente und sympathische Kommentatoren gab, die das Spiel noch interessanter gemacht haben. Jeder Sportfan, der sich schon einmal Fußballspiele mit Marcel Reif und Wolf-Christoph Fuss als Kommentator angeschaut hat, weiß, was für einen Unterschied gute Kommentatoren machen können. Weiterhin erlaubt ein Chat neben dem Video eine Social-Coverage Funktion, so dass die Zuschauer noch direkter an den Spielen teilnehmen können.


Was brauchen wir jetzt?


Es ist natürlich eine Utopie zu erhoffen, dass wir jetzt immer so qualitativ hochwertige Coverages sehen werden. Es sollte aber das Ziel einer guten Coverage sein, sich diese Berichterstattung als Vorbild zu nehmen, damit man wenigstens eine ähnliche Qualität hat. Eventuell sollte man vor dem nächsten großen Turnier, auf dem solche Livestreams angeboten werden, sogar Castings halten, um die perfekten Kommentatoren zu finden. Ähnlich lief es jetzt bei den Pokemon US-Nationals (TCG und VGC) ab.

Auch die Yugituber könnten sich noch etwas bei Pokemon abschauen. Es gibt zwar sehr viele Kanäle, von denen auch einige qualitativ hochwertigen Content bringen, meistens ähnelt sich der Content aber noch zu sehr und ich kenne keinen Yugituber, der aktiv häufig Turniere aufnimmt und Spiele der Turniere kommentiert. Meiner Meinung nach sollte ein Yugituber sich den Kanal TheTopCut als Beispiel nehmen. Früher haben sie sehr viele Turnierspiele aufgenommen und diese kommentiert, heutzutage beschränkt es sich zum größten Teil auf Pokemon TCG Online Spiele, die aber auch sehr schön aufbereitet sind.


Seid ihr gerne Zuschauer? Fühlt ihr als Zuschauer euch akzeptiert? Inwieweit verfolgt ihr Coverages und Youtube und wie glaubt ihr sieht die Zukunft von ihnen aus? Zusätzlich würde ich gerne wissen, ob ihr irgendwann Interesse an einem 2. Teil dieses Artikels hättet (dabei würde ich mich mit dem anwesendem Zuschauer beschäftigen).

Ich danke euch schon einmal für euer Feedback!

Antworten 4

  • Ist das "drutte" Absicht???

  • Schön geschrieben, mehr davon!:-)

  • ähm... Danke für den Hinweis. Zu früh morgens darf man einfach nichts hochladen.

  • Zuschauer sind schon wichtig. Und Coverages sind ebenso wichtig. Was ist wenn man unbedingt auf ein Event will, aber was dazwischen kommt? Dann kann man das Event wenigstens verfolgen, wenn auch nur als Zuschauer. Ich für meinen Teil jedenfalls lese sogar teilweise Coverages von Events, die ich selber besucht habe. Einfach nur, um zu sehen was sonst so abging, neben meinen eigenen Spielen.
    Die EM-Coverage war natürlich schon herausragend. So sollte es bei größtenteils immer sein bei Premier Events in so einer Größenordnung. Ich hoffe, bei den YCS wird das auch so durchgezogen.


    MfG

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